Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie - Psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport

Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie - Psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport

von: Malte Claussen, Erich Seifritz

Hogrefe AG, 2022

ISBN: 9783456760018

Sprache: Deutsch

688 Seiten, Download: 7386 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie - Psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport



|23|Vorwort


Dieser Band im „Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie: Psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport – Grundlagen und Praxis der Psychiatrie und Psychotherapie“ nimmt das Tätigkeitsfeld der Sportpsychiatrie und -psychotherapie im Leistungssport auf. In Kapitel 51 „Sport und Bewegung in Therapie und Prävention psychischer Erkrankungen“ wird ein Ausblick auf das Tätigkeitsfeld der Sportpsychiatrie und -psychotherapie in der Allgemeinbevölkerung gegeben; das Gegenstand des zweiten Bandes im Lehrbuch der Sportpsychiatrie und psychotherapie sein wird.

Psychische Beschwerden und Erkrankungen beeinträchtigen die Gesundheit von Leistungssportlerinnen und -sportlern. Sie können sich sportspezifisch manifestieren und die Leistung mindern. Mittlerweile ist gut bekannt, dass psychische Erkrankungen im Leistungssport in ähnlicher Häufigkeit wie in der Allgemeinbevölkerung auftreten. Sportart- und geschlechtsspezifisch sind bestimmte psychische Beschwerden und Erkrankungen im Leistungssport sogar häufiger zu beobachten. Die neuropsychiatrischen Folgen von Kopfverletzungen oder ein gestörtes Essverhalten und Essstörungen sind nur zwei Beispiele.

Psychische und körperliche Gesundheit können im Leistungssport – ebenso wenig wie in der Allgemeinbevölkerung – getrennt voneinander betrachtet werden. Psychische Beschwerden und Erkrankungen können das Verletzungsrisiko erhöhen und die Zeit der Rehabilitation verlängern. Verletzungen sowie ausbleibende sportliche Erfolge stellen wiederum selbst Risiken für die psychische Gesundheit dar oder können bereits bestehende psychische Erkrankungen sichtbar werden lassen.

Bis vor wenigen Jahren wurde angenommen, dass es im Leistungssport keine ernsthaften psychischen Erkrankungen geben könne und das mentale Stärke zugleich auch psychische Gesundheit bedeute. Erfolgreiche Leistungssportlerinnen und -sportlern lehrten uns mit ihren mutigen Interviews in den letzten Jahren zudem, dass ihre mentale Stärke und Wettkampfpersönlichkeit kein Garant für eine anhaltende psychische Gesundheit sein müssen und es wichtig ist, mentale Stärke von psychischer Gesundheit zu unterscheiden.

The IOC has committed to improve the mental health of elite athletes, recognising that doing so will reduce suffering and improve quality of life in elite athletes and serve as a model for society at large. The IOC hopes that all involved in sport will increasingly recognise that mental health symptoms and disorders should be viewed in a similar light as other medical illnesses and musculoskeletal injuries; all can be severe and disabling, and nearly all can be managed properly by well informed medical providers, coaches and other stakeholders. Mental health is an integral dimension of elite athlete wellbeing and performance and cannot be separated from physical health. Mental health assessment and management in elite athletes should be as commonplace and accessible as their other medical care; ideally elite athletes should have access to the best interdisciplinary care.

Aus Mental health in elite athletes: International Olympic Committee consensus statement, 2019)

|24|Die Schlussfolgerungen des IOC Consensus Statements stellen in bemerkenswerter Klarheit die Bedeutung der psychischen Gesundheit im Leistungssport heraus: Psychische Symptome und Erkrankungen sollten wie andere medizinische Beschwerden und Erkrankungen betrachtet werden. Die Fürsorge der psychischen Gesundheit im Leistungssport sollte alltäglich sein und Leistungssportlerinnen und -sportler sollten idealerweise Zugang zur bestmöglichen interdisziplinären und in Ergänzung zum IOC Consensus Statement auch interprofessionellen Versorgung haben.

Zu einer bestmöglichen Versorgung im Leistungssport bedarf es qualifizierter medizinischer Fachpersonen für die psychische Gesundheit, das heisst Sportpsychiaterinnen und -psychotherapeutinnen und Sportpsychiater und -psychotherapeuten, die aber nicht Ausdruck einer Psychiatrisierung des Leistungssports sein dürfen. Im Gegenteil, sie sind Ausdruck eines Bewusstseins, dass im Leistungssport Belastungen und Risiken für die psychische Gesundheit bestehen und dass von medizinisch und psychiatrisch-psychotherapeutischer Seite die Initiative ergriffen wird:

Zur Förderung der psychischen Gesundheit (Prävention) und für einen sicheren Umgang bei auftretenden psychischen Beschwerden und Erkrankungen, in Diagnostik, Therapie und Nachsorge, evidenz- und leitlinien-basiert, eingebettet in eine dann gesamtmedizinische sowie bestmögliche interdisziplinäre und interprofessionellen Versorgung.

Die Anwesenheit von Sportärztinnen und -ärzten im Leistungssport führt nicht zu der Annahme, dass diese aufgrund verletzter und körperlich Kranker anwesend sind, sondern vielmehr, dass sie die körperliche Gesundheit und damit die Voraussetzungen für den sportlichen Erfolg sicherstellen. Gleiches sollte für Sportpsychiaterinnen und -psychiater und die psychische Gesundheit im Leistungssport gelten. Im Kapitel 44 „Psychische Gesundheit im Leistungssport – Perspektive und Praxis der Verbände und Vereine, wird hierauf am Beispiel des Deutschen Handballbundes (DHB) und der Spielgemeinschaft Flensburg-Handewitt“ weiter eingegangen und gezeigt, wie dies gelingen kann. In der überwiegenden Zahl der Verbände und Vereine hat aber bisher die Sportpsychiatrie und -psychotherapie noch keinen Einzug in die Versorgungskonzepte gehalten und eine bestmögliche interdisziplinäre und interprofessionelle Fürsorge und Versorgung sind damit nicht gegeben.

Basisanforderungen an eine qualifizierte medizinische Fachdisziplin für die psychische Gesundheit im Leistungssport und die Sportpsychiatrie und –psychotherapie ergeben sich auch aus den Gegebenheiten und Notwendigkeiten im Leistungssport. Nach dem Studium der Medizin beinhalten diese Anforderungen eine mehrjährige Weiterbildung in einem der beiden psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachgebiete, idealerweise mit zusätzlicher und vertiefender psychosomatischer und neurologischer Weiterbildung. Auf diesen basalen Anforderungen müssen dann die notwendigen, weiteren spezifischen Kenntnisse und Fertigkeiten in der Sportpsychiatrie und -psychotherapie erworben werden. Ein Curriculum Sportpsychiatrie und -psychotherapie wurde durch die Schweizerische Gesellschaft für Sportpsychiatrie und psychotherapie (SGSPP) ausgearbeitet und soll eine entsprechende Weiterbildung ermöglichen. Im Kapitel 2 wird weiter auf das Curriculum eingegangen – als eines der ersten und das erste umfassende Curriculum Sportpsychiatrie und -psychotherapie überhaupt.

Eine ausführliche Hinführung zum Inhalt des Ihnen vorliegenden Lehrbuchs der Sportpsychiatrie und -psychotherapie erfolgt im dauaffolgenden Kapitel 3 „Sportpsychiatrie und -psychotherapie im Leistungssport“. Eine detailliertere Aufnahme der weiteren allgemeinen Aspekte der Sportpsychiatrie und -psychotherapie im Leistungssport, die auch als Erweiterung der Einführung anzusehen sind, finden sich in Kapitel 6 „Diagnostik und Klassifikation psychischer Erkrankungen im Leistungssport“, Kapitel 8 „Therapie psychischer Erkrankungen im |25|Leistungssport“ und Kapitel 42 „Prävention und Förderung der psychischen Gesundheit im Leistungssport“.

Zuletzt ist es uns wichtig noch auf folgenden Punkt einzugehen. Wenngleich die Sportpsychiatrie und -psychotherapie ein kleines Teilgebiet der Kinder- und Jugend- und Erwachsenenpsychiatrie und –psychotherapie ist, kann sie für diese eine wertvolle Funktion einnehmen. Täglich machen wir die Erfahrung, dass mit wachsender Aufmerksamkeit für die Sportpsychiatrie und -psychotherapie das Interesse und die Attraktivität an psychiatrisch-psychotherapeutischen Themen und deren Fachgebieten steigt. Vor dem Hintergrund des Nachwuchsmangels in den beiden psychiatrisch–psychotherapeutischen Fachgebieten vielerorts ist Letzteres ein willkommener Nebeneffekt und ein Grund mehr, sich als Klinik und Institution in den Tätigkeitsfeldern der Sportpsychiatrie und -psychotherapie zu engagieren. Die empirische Grundlage, die für Sport und Bewegung unter präventiven und therapeutischen Gesichtspunkten mittlerweile existiert, ist bereits Grund genug, dass Kliniken und Institute, die sich nicht speziell im Leistungssport engagieren, aber auch mit...

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