Basale Stimulation® in der Akutpflege - Handbuch für die Pflegepraxis

Basale Stimulation® in der Akutpflege - Handbuch für die Pflegepraxis

von: Margit Hatz-Casparis, Monika Roth Sigrist, Markus Remer, Barbara Schoop

Hogrefe AG, 2020

ISBN: 9783456760155

Sprache: Deutsch

128 Seiten, Download: 33560 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Basale Stimulation® in der Akutpflege - Handbuch für die Pflegepraxis



2 Basale Stimulation im Pflegeprozess


2.1 Patienten, die von Basaler Stimulation profitieren können


Grundsätzlich können Menschen in allen Lebensphasen, d.h. vom Frühgeborenen bis hin zum Sterbenden, von der Anwendung Basaler Stimulation profitieren. Kranke Menschen erleben während ihrer Erkrankung im Vergleich mit den bisher vorhandenen Fähigkeiten immer irgendeine Form von Beeinträchtigung. Die Beeinträchtigung betrifft Wahrnehmung, Kommunikation und Bewegung jeweils in unterschiedlichem Ausmaß. Basale Stimulation orientiert sich konsequent an den grundlegenden Bedürfnissen der betroffenen Menschen, die sich in unterschiedlichen, schwierigen Lebens- und Erkrankungssituationen befinden. Die individuellen Angebote sollen situativ auf die folgenden Aspekte ausgerichtet sein (vgl. Bienstein & Fröhlich, 2016, S. 18):

  • Unterstützen von körperbezogenem und ganzheitlichem Lernen
  • Entwicklung in allen Lebensphasen ermöglichen, anregen und begleiten
  • Orientierung und Sicherheit in Wahrnehmung, Kommunikation und Bewegung vermitteln
  • Stressreduktion für Menschen in belastenden Situationen, z.B. in schweren gesundheitlichen Krisen, ermöglichen.

Für die Pflege im Setting der Akutpflege kann das Konzept Basale Stimulation in folgenden Situationen zur Anwendung kommen (vgl. Mohr, Zündel & Fröhlich, 2019, S. 27–28):

  • bei Menschen jeden Alters, welche durch eine akute und/oder chronische Krankheit oder durch einen Unfall an schweren Beeinträchtigungen leiden:
    • in unterschiedlichen Bewusstseinsstadien
    • in intensivmedizinischen Versorgungssituationen
    • mit neurologischen Erkrankungen
    • mit hypoaktivem/hyperaktivem Delir
    • mit demenzieller Erkrankung
    • mit Stress, Angst und Schmerz
    • mit akuter Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Bewegungsbeeinträchtigung
  • bei Menschen, die herausfordernde Verhaltensweisen zeigen
  • bei von Geburt an schwer mehrfachbehinderten Menschen jeden Alters
  • bei pflegebedürftigen Menschen im Sterben.

2.2 Der Pflegeprozess


Die Orientierung am Konzept der Basalen Stimulation ermöglicht es, eine umfassende, patienten-, ressourcen- und caring-orientierte Pflege in der Akutpflege zu gestalten.

Die Verbindung zur Systematik des in Abbildung 2-1 dargestellten Pflegeprozesses bietet für die Verdeutlichung des basalen Ansatzes in der Umsetzung einen strukturgebenden und qualitätssichernden Rahmen.

Die sorgfältige, systematische Erfassung der Fähigkeiten anhand der Informationssammlung im Pflegeassessment, die klinische Entscheidung und die Zuordnung der passenden Pflegediagnose sowie die Planung, Durchführung und Evaluation der zielgerichteten Maßnahmen ermöglichen es, die Nachhaltigkeit in der Betreuung sicherzustellen.

Pflegediagnosen, welche sich auf die menschlichen Reaktionsmuster in den Bereichen Wahrnehmung, Kommunikation und Bewegung fokussieren, bieten sich besonders an, um basal stimulierende Interventionen in die Pflegeplanung aufzunehmen.

 

Ernährung (Nahrungsaufnahme, Verdauung, Absorption, Verstoffwechslung, Flüssigkeitszufuhr)

  • Saug-/Schluckstörung des Säuglings
  • Schluckstörung

Aktivität/Ruhe (Schlaf/Ruhe, Aktivität/Bewegung, Energiehaushalt, kardiovaskuläre/pulmonale Reaktionen, Selbstversorgung)

  • Aktivitätsintoleranz
  • Fatigue
  • Immobilitätssyndroms, Gefahr eines
  • Mobilität, beeinträchtigte körperliche
  • Schlafstörung
  • Schlaf-Wach-Rhythmus-Umkehr
  • Selbstversorgungsdefizit, […]
  • Weaning, erschwertes

Wahrnehmung/Kognition (Aufmerksamkeit, Orientierung, Empfindung/Wahrnehmung, Kognition, Kommunikation)

  • Denkprozesse, gestörte
  • Kommunikation, beeinträchtigte verbale
  • Neglect
  • Orientierungsstörung
  • Verwirrtheit, […]
  • Wahrnehmungsstörung, […]

Selbstwahrnehmung (Selbstkonzept, Selbstwertgefühl, Körperbild)

  • Hoffnungslosigkeit
  • Körperbildstörung

Rollenbeziehungen (Fürsorgerollen, Familienbeziehungen, Rollenverhalten)

  • Interaktion, beeinträchtigte soziale

Coping/Stresstoleranz (posttraumatische Reaktionen, Coping-Reaktionen, neurobehavioraler Stress)

  • Angst
  • Coping, unwirksames
  • Furcht
  • Posttraumatisches Syndrom
  • Machtlosigkeit
  • Stressüberlastung
  • Trauern

Lebensprinzipien (Werte, Glaubenseinstellungen, Werte-/Glaubens-/Handlungskongruenz)

  • Sinnkrise
  • Wohlbefinden, […]

Sicherheit/Schutz (Infektion, physische Verletzung, Gewalt, Umweltgefahren, Abwehrprozess, Thermoregulation)

  • Aspirationsgefahr
  • Erholung, verzögerte postoperative
  • Sturzgefahr

Abb. 2-1: Pflegeprozess, Beratungs- und Entlassungsprozess (Quelle: © Georg, 2006, 2012)

Zusammenhang zwischen Pflegemodellen (ABEDL, Funktionelle Gesundheitsverhaltensmuster) und Pflegeprozess (•). Die Kästchen (n) kennzeichnen die Elemente des parallel verlaufenden Beratungsprozesses. Die Schritte des Entlassungsprozesses () werden durch einen Pfeil gekennzeichnet (Georg, 2006).

Wohlbefinden (physisches Wohlbefinden, umfeldbezogenes Wohlbefinden, soziales Wohlbefinden)

  • Schmerz, […]
  • Übelkeit

Wachstum/Entwicklung (Wachstum, Entwicklung)

  • Entwicklung, Gefahr einer verzögerten

Die hier genannten Pflegediagnosen orientieren sich an einer Gliederung nach der NANDA-Taxonomie II der menschlichen Reaktionsmuster (vgl. NANDA International, 2016, in Doenges, Moorhouse & Murr, 2018, S. 1151–1157).

In den Beschreibungen der jeweiligen Pflegediagnosen sind in der Regel explizite wie auch implizite Indikationen für Basale Stimulation erkennbar (vgl. Doenges, Moorhouse & Murr, 2018).

2.3 Pflegeassessment und Informationssammlung


Um Angebote der Basalen Stimulation patientenzentriert wählen und anbieten zu können, werden spezifische Auskünfte vom Patienten und/oder von seinen Angehörigen benötigt. Diese Informationssammlung im Rahmen des Pflegeassessments ist allerdings nicht eine einmalige Bestandsaufnahme, sondern ein fortlaufender Prozess, der die jeweilige aktuelle Situation, Probleme, Risiken und Entwicklungspotenziale berücksichtigt.

2.3.1 Ermitteln im Dialog


In Gesprächen mit dem Patienten und/oder seinen Angehörigen werden die möglichen Angebote der Basalen Stimulation und was sie bewirken können erläutert. Je nach Situation können Fragen zur Verständigung, zum Sprachgebrauch, zur Körperpflege, zur Ernährung, zum Schlaf, zu Lebensgewohnheiten und zur Lebensart, zur körperlichen Fitness usw. geklärt werden. So kann es gelingen, gemeinsam individuell abgestimmte Anwendungsangebote zu entwerfen.

Als Ergänzung zu diesen Gesprächen steht die Beobachtung des Patienten im Vordergrund. Seine Reaktionen zu deuten, zu verifizieren und über die nächsten Schritte zu entscheiden, liegt in der Kompetenz der Pflegeperson mit ihrem Wissen, ihrem Können und ihrer Erfahrung sowie der Fähigkeit zum kritischen Denken.

Die wesentlichen Voraussetzungen für eine umfassende Einschätzung des Patienten sind die Aufmerksamkeit der Pflegeperson und ihre Bereitschaft, sich auf den Dialog mit dem Patienten einzulassen. Im Dialog zur Informationssammlung werden die verbalen und nonverbalen Reaktionen des Patienten zur Sprache gebracht, damit dieser die Richtigkeit bestätigen oder ablehnen kann. Ist der Patient ermüdet oder überfordert, sollte der Dialog beendet und zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen werden.

Der Dialogaufbau beginnt mit der Kontaktaufnahme. Die Pflegeperson kündigt die Kontaktaufnahme beispielsweise beim Eintreten in das Zimmer oder durch leichtes Anklopfen auf dem Nachttisch deutlich an. Sie stellt den Blickkontakt her und spricht den Patienten in natürlicher Sprechweise und in angemessener Lautstärke an. Den körperlichen Kontakt stellt die Pflegeperson anschließend mit einer Begrüßungsgeste, einem Händedruck oder einer Initialberührung, also mit der ersten Berührung bei der Kontaktaufnahme, her. Dabei ist folgendes Vorgehen zu beachten:

  • Initialberührung möglichst an der Schulter durchführen (s. Abb. 2-2), da durch die Atembewegung die Schultermuskulatur mitbewegt und so eine Berührung besser gespürt wird.

Abb. 2-2: Initialberührung Schulter

  • Die Schulterberührung kann auch in Kombination mit der Handberührung erfolgen (s. Abb. 2-3).

Abb. 2-3: Initialberührung Schulter und Hand

  • Initialberührung bei Patienten mit Hemiplegie auf der weniger betroffenen Seite ausführen und danach auf die betroffene Seite wechseln.
  • Die Körperstelle zur Initialberührung wird gemeinsam durch die Angehörigen und die Pflegeperson bestimmt. Diese Berührung wird...

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