Praxisratgeber zur Betreuung und Beratung von Kindern und Jugendlichen
von: Bernd Seidenstücker, Barbara Mutke (Hrsg.)
FORUM Verlag Herkert, 2006
ISBN: 9783898278454
Sprache: Deutsch
831 Seiten, Download: 3620 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
6 Die rechtlichen Grundlagen der Kinder- und Jugendhilfe (S. 707-708)
6.1 Das Kinder- und Jugendhilfegesetz – SGB VIII
Britta Tammen
Rechtliche Regelungen, die schwerpunktmäßig Kinder und Jugendliche betreffen, sind in einer Vielzahl von Gesetzen zu finden. Außerhalb spezieller inhaltlicher Regelungsbereiche wie etwa der Ausbildung oder dem Arbeitsschutz finden sich die zentralen Regelungen zur Förderung und Unterstützung von jungen Menschen und ihren Familien sowie zum Schutz von Minderjährigen im Kinder- und Jugendhilfegesetz. Das Gesetz wurde in das Sozialgesetzbuch (SGB) aufgenommen, in dem weite Teile des deutschen Sozialrechts geregelt sind, wie etwa auch das Rentenund Krankenversicherungsrecht, oder die Rehabilitation behinderter Menschen. Es steht dort an achter Stelle, bildet also das achte Buch dieses Gesamtwerkes und trägt daher den Namen SGB VIII.
6.1.1 Zentrale Grundzüge des Kinder- und Jugendhilferechts
Die historischen Wurzeln des Kinder- und Jugendhilferechts waren weitgehend polizeirechtlich geprägt. Über lange Zeit hinweg wurde ein möglicher Einfluss des Staates auf junge Menschen in erster Linie unter dem Aspekt betrachtet, ihre „Verwahrlosung" zu unterbinden, um zu verhindern, dass daraus eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung entstand. Daneben rückte im Laufe der Zeit auch zunehmend das Wohlergehen von jungen Menschen und Familien in schwierigen Lebenslagen ins Zentrum des Interesses. Dabei wurden allerdings die Vorstellungen darüber, was dem Wohl der Betroffenen am besten entsprechen würde, lange Zeit einseitig von Fachkräften aus Jugendämtern o. Ä. vorgegeben, ohne dass auf die Wünsche und (Lebens-)Vorstellungen der Betroffenen eingegangen wurde.
Von diesen Grundlinien war noch das in der Bundesrepublik vor dem Inkrafttreten des SGB VIII bis zum Ende der 80er Jahre geltende Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) geprägt. In der Praxis kam es jedoch seit den 60er Jahren im Zuge der gesellschaftlichen Reformprozesse auch zu massiver Kritik an der bestehenden Jugendhilfepraxis. Die hierdurch angestoßenen fachlichen Diskussionen bewirkten weitgehende Veränderungen im Verständnis von Anspruch, Standards und Aufgaben der Jugendhilfe. Mit einiger Verzögerung fanden diese fachlichen Entwicklungen auch auf gesetzlicher Ebene ihren Niederschlag, indem auf ihrer Grundlage ein neues Kinder- und Jugendhilfegesetz – das SGB VIII – erarbeitet wurde. Es trat 1991 bundesweit in Kraft und löste das Jugendwohlfahrtsgesetz ab.