Lehrbuch Betriebliche Gesundheitsförderung

Lehrbuch Betriebliche Gesundheitsförderung

von: Gudrun Faller

Hogrefe AG, 2016

ISBN: 9783456955698

Sprache: Deutsch

432 Seiten, Download: 4342 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Lehrbuch Betriebliche Gesundheitsförderung



2. Der Betrieb als gesundheitsförderndes Setting: Historische Entwicklung der Betrieblichen Gesundheitsförderung (S. 39-40)
Karl Kuhn

Zusammenfassung

Die Wurzeln der Betrieblichen Gesundheitsförderung reichen bereits in die Zeit vor der Verabschiedung der Ottawa-Charta zurück, auch wenn diese als die konzeptionelle Geburtsstunde der Gesundheitsförderung gilt. Der vorliegende Artikel gibt einen Überblick über die internationalen und europäischen Entwicklungen bis in die Gegenwart. Dabei werden die Stränge der Gesundheitsförderung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitswissenschaft dargestellt und in ihrer wechselseitigen Bezogenheit und zunehmenden Annäherung beschrieben. Ein besonderer Fokus des Beitrags richtet sich auf die Entwicklungen und die aktuellen Aktivitäten in den Ländern Österreich, Schweiz und Deutschland.

2.1 Zur Entstehungsgeschichte der betrieblichen Gesundheitsförderung

Die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) blickt auf eine inzwischen 30 Jahre alte Geschichte zurück. Die 1986 verabschiedete Ottawa- Charta wird zwar oft als die Geburtsstunde der Gesundheitsförderung genannt, aber bereits in den Jahren davor gab es in Europa Entwicklungen, die als Bausteine für die Genese der BGF angesehen werden können.

2.1.1 Die Ottawa-Charta

Die erste Internationale Konferenz zur Gesundheitsförderung hatte am 21. November 1986 in Ottawa zum aktiven Handeln für das Ziel „Gesundheit für alle“ bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus aufgerufen (WHO 1986). Diese Konferenz verstand sich in erster Linie als eine Antwort auf die gestiegenen Erwartungen an eine neue öffentliche Gesundheitsbewegung. Ausgangspunkt waren die auf der Grundlage der Deklaration von Alma-Ata von 1978 (Kaba-Schönstein 2011: 137) erzielten Fortschritte im Bereich der gesundheitlichen Grundbetreuung und das WHO-Dokument „Gesundheit für alle“.

Im Schlussdokument von Ottawa wird die Gesundheitsförderung folgendermaßen definiert: „Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. sie verändern können. In diesem Sinne ist die Gesundheit ein wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens zu verstehen und nicht als vorrangiges Lebensziel. Gesundheit steht für ein positives Konzept, das die Bedeutung sozialer und individueller Ressourcen für die Gesundheit ebenso betont wie die körperlichen Fähigkeiten. Die Verantwortung für Gesundheitsförderung liegt deshalb nicht nur bei dem Gesundheitssektor, sondern bei allen Politikbereichen und zielt über die Entwicklung gesünderer Lebensweisen hinaus auf die Förderung von umfassendem Wohlbefinden.“ (WHO 1986)

Begriffserklärung/Merke

Die Ottawa-Charta stellt die „Gesundheit für alle“ in den Mittelpunkt und sieht als Akteure hierfür nicht nur das Gesundheitssystem in der Verantwortung, sondern alle Bereiche der Politik. Als „Setting“ für Gesundheitsförderung gelten Arbeitsplatz, Wohnumfeld, Schule und Freizeit.

2.1.2 Der konzeptionelle Rahmen der Gesundheitsförderung

Nach dieser Definition liegt die Verantwortung für Gesundheit nicht nur beim Gesundheitssektor, sondern bei allen Politikbereichen. Gesundheitsförderung zielt über die Entwicklung gesünderer Lebensweisen hinaus auf die Förderung von umfassendem Wohlbefinden. Bis heute dient die Ottawa- Charta als Leitfaden, als konzeptionelle Referenz und Inspiration der Gesundheitsförderung. Die Charta ruft Staaten dazu auf, Strategien und Programme zur Gesundheitsförderung umzusetzen, und das mithilfe von drei Strategien: Advocacy, Empowerment und Vernetzung. Unter anderem haben sich die Teilnehmerstaaten der Konferenz dazu verpflichtet, in folgenden fünf wesentlichen Handlungsfeldern der Gesundheitsförderung aktiv zu werden:
–– an einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik mitzuwirken,
–– gesundheitsförderliche Lebenswelten (Settings) zu schaffen,
–– gesundheitsbezogene Gemeinschaftsaktionen zu unterstützen,
–– gesundheitliche Unterschiede innerhalb der Gesellschaften abzubauen, und
–– die Gesundheitsdienste und ihre Mittel in Richtung Gesundheitsförderung umzuorientieren.

2.1.3 Der Setting-Ansatz

Settings sind Orte oder soziale Zusammenhänge, in denen sich der Alltag von Menschen abspielt, und die deshalb einen wichtigen Einfluss auf Gesundheit haben. Dazu gehören zum Beispiel Arbeitsplatz, Wohnumfeld, Schule oder Freizeiteinrichtungen. Eine zeitgemäße Gesundheitsförderung berücksichtigt daher immer auch die Settings, in denen sich die jeweiligen Zielgruppen bewegen. Die Ottawa Charta fordert die Schaffung von gesundheitsfördernden Lebenswelten als eines ihrer Handlungsfelder (WHO 1986), sodass Interventionen und Maßnahmen für die jeweiligen Settings, und nicht nur die darin lebenden Menschen zu konzipieren sind. Ausgehend von diesem Ansatz (Setting Approach) konnten der Betrieb, der Arbeitsplatz, die dort vorfindbaren Bedingungen, Belastungen und Beanspruchungen in einem neuen Zusammenhang thematisiert werden. Im Gefolge entstand eine neue Perspektive, die neben dem individuellen Verhalten vor allem die betrieblichen Strukturen mit ihren Einflussfaktoren auf dieses Verhalten in den Focus stellte.

2.1.4 Einflüsse der italienischen Arbeitermedizin

Bereits seit Mitte der 1970er Jahre hatte in Deutschland eine Rezeption der italienischen Arbeitermedizin stattgefunden. Ausgangspunkt dieser Bewegung war eine von den meisten italienischen Gewerkschaften mitgetragene Initiative mit dem Ziel, die gesundheitliche Lage vor allem der manuellen Arbeiter in den Fabriken zu verbessern. Im Zuge dieser Bewegung entstanden zwei neue Konzepte: Die Idee der „homogenen Gruppe“ und das „Non delega“-Prinzip

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