Herausforderndes Verhalten bei Menschen mit Demenz - Einschätzen, verstehen und behandeln

Herausforderndes Verhalten bei Menschen mit Demenz - Einschätzen, verstehen und behandeln

von: Ian Andrew James

Hogrefe AG, 2013

ISBN: 9783456951676

Sprache: Deutsch

233 Seiten, Download: 1073 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Herausforderndes Verhalten bei Menschen mit Demenz - Einschätzen, verstehen und behandeln



Das vorliegende Buch befasst sich ausführlich mit vielen der in diesen Strategie-Papieren genannten Forderungen und konzentriert sich vor allem auf die Sichtweise der Betreuungspersonen von Menschen, deren Verhaltensweisen oft als Herausforderung empfunden werden.

Verhalten, das herausfordert – herausforderndes Verhalten

Verhalten, das herausfordert (engl.: behaviours that challenge) wurde früher Problemverhalten genannt. Diese Formulierung stammt aus dem Bereich der Behindertenpädagogik, und bezeichnet ursprünglich Verhaltensformen, die der betreffenden Person oder dem Setting, in dem sie auftreten, Schwierigkeiten bereiten. Laut Blunden und Allen (1987) ist dieser Begriff wohl eingeführt worden mit dem Ziel, die Aufmerksamkeit wegzulenken von der individuellen Pathologie, hin zu einem Verständnis, das Gesundheitsfachpersonen und die Anbieter von Dienstleistungen auffordert, Lösungen für die problematischen Verhaltensweisen zu finden. Viele gerontopsychiatrische Fachleute sprechen lieber von verhaltensbezogenen und psychologischen Symptomen der Demenz (engl.: behavioural and psychological symptoms of dementia, BPSD), um den Zusammenhang zwischen Demenz und ihrem Arbeitsfeld aufzuzeigen. Der Begriff BPSD wird allerdings kritisiert, weil er impliziert, dass problematische Verhaltensformen direkt mit dem Demenzprozess zusammenhängen. In Kapitel 1 werden wir feststellen, dass dies keineswegs zutrifft, weil viele Verhaltensweisen normale Coping-Strategien sind, die auch Gesunde einsetzen, um mit schwierigen Lebensumständen zurechtzukommen.

In den acht Kapiteln dieses Buch werden die theoretischen Grundlagen erklärt sowie praktische Ratschläge zum Umgang mit herausforderndem Verhalten erteilt, und zwar aus einer biopsychosozialen Perspektive. So wird angeregt, beim Umgang mit herausforderndem Verhalten sowohl die Einflüsse der chemisch-neurologischen und physiologischen Veränderungen als auch die psychologischen und sozialen Faktoren zu berücksichtigen. In jedem der folgenden Kapitel wird diese Perspektive anhand von Fallbeispielen und Forschungsergebnissen illustriert und näher erläutert. Kapitel 1 beispielsweise untersucht das Konzept des herausfordernden Verhaltens und bietet einen Überblick über die verschiedenen Verhaltensweisen und Kategorisierungssysteme. In Kapitel 2 werden die häufigsten Ursachen und Auslöser von herausforderndem Verhalten untersucht und einige Assessment-Instrumente erläutert. In den Kapiteln 3 und 4 stehen aktuelle Behandlungsstrategien im Mittelpunkt, und pharmakologische sowie nichtpharmakologische Ansätze werden erörtert. Beide Ansätze werden wegen ihrer unzureichenden Beweisgrundlagen kritisiert, wobei insbesondere die problematischen Nebenwirkungen der Medikamente bedenklich sind. Kapitel 5 enthält eine kurze Darstellung verschiedener konzeptueller Modelle, die in der Praxis entwickelt wurden, um das Verständnis der Pflegenden für Demenzerkrankungen und herausforderndes Verhalten zu verbessern. Ein geschärftes Bewusstsein soll die Assessmentund Behandlungsstrategien der professionellen Gesundheitsfachpersonen verbessern.

In den letzten Kapiteln wird verstärkt auf praktische und organisatorische Fragen eingegangen. In Kapitel 6 beschreibe ich den von mir zusammen mit Kollegen und Kolleginnen in Newcastle entwickelten Ansatz für die praktische Arbeit in Pflegeheimen. Kapitel 7 enthält mehrere Fallbeispiele und ausführliche Beschreibungen der jeweiligen Behandlungsprozesse.

In Kapitel 8 geht es um die Entwicklung von Dienstleistungsangeboten. Ich stütze mich dabei auf den jüngst im Auftrag der britischen Regierung erstellten Bericht «Time for Action» (Banerjee, 2009). In diesem vom Gesundheitsminister angenommenen Bericht fordert der Autor eine radikale Revision der Einrichtungen und Behandlungsansätze für herausfordernde Verhaltensweisen, weg von den Behandlungsformen mit Neuroleptika, hin zu solchen, die verstärkt mit nichtpharmakologischen Ansätzen arbeiten. Banjeree verlangt nicht weniger als eine Reduzierung des Einsatzes von Neuroleptika um zwei Drittel innerhalb von drei Jahren und legt elf Empfehlungen vor, wie dieses Ziel zu erreichen sei.

Das richtige Buch zur richtigen Zeit

Weil wir gerade damit beginnen, die verschiedenen nationalen Strategieempfehlungen umzusetzen, kommt dieses Werk genau zur richtigen Zeit. Wichtig ist das Buch auch, weil über den Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen demenzkranker Menschen noch immer große Verwirrung herrscht. Viele gerontopsychiatrische Fachärzte fühlen sich durch die empfohlene Einschränkung der Medikamentengaben, insbesondere der Neuroleptika in eine schwierige Situation gebracht. Hier muss jedoch festgehalten werden, dass viele immer noch fest vom Nutzen dieser Arzneimittel überzeugt sind und sie nach wie vor gern und regelmäßig verschreiben (Wood-Mitchell et al., 2008; Bishara et al., 2009). Aber auch nicht ärztliche Gesundheitsfachpersonen sind derzeit ziemlich ratlos, weil sie zwar auf Medikamente verzichten sollen, andererseits aber kaum wirklich gute, praktikable Alternativen an die Hand bekommen haben. Tatsache ist, dass viele der in der Literatur empfohlenen nichtpharmakologischen Strategien Präventionsmaßnahmen sind, keine Behandlungsansätze. Dieses Buch untersucht, worin sich «Präventionsstrategien» von «Behandlungsstrategien» unterscheiden, und bietet Ratschläge, was in akuten Phasen herausfordernden Verhaltens zu tun ist. Der vorliegende Text ist zudem besonders relevant für pflegerische und medizinische Fachpersonen in privaten Pflegeeinrichtungen, weil er einen Behandlungsansatz vorstellt, der besonders für Menschen geeignet ist, die rund um die Uhr Betreuung benötigen.

Das Buch ist ferner wichtig für Verantwortliche und Regierungsbeauftragte, insbesondere im Hinblick auf die jüngste Publikation des Health Economic Research Centre (HERC), in der berechnet wurde, dass jeder demenzkranke Mensch die britische Wirtschaft pro Jahr 27 647 Pfund kostet (jeder Krebskranke: 5999 Pfund, jeder Herzkranke: 3455 Pfund). Zusätzliche Kosten, die entstehen, wenn die Person problematische Verhaltensweisen zeigt, sind in diesem Betrag nicht enthalten.

Es ist offensichtlich, dass Bedarf besteht und der Wunsch vorhanden ist, die herkömmlichen Pflegepraktiken zu verbessern. Der Trend, vom medizinischen Ansatz abzurücken, ist keineswegs neu; die Entwicklung geht bereits seit 20 Jahren in diese Richtung. Der Ruf nach Veränderung ist jedoch in jüngerer Zeit lauter und drängender geworden, weil der Einsatz von Medikamenten zunehmend hinterfragt wird und die Notwendigkeit besteht, wirksame Alternativen zu entwickeln. Inzwischen pochen aber auch – und das ist womöglich am wichtigsten – die Entscheidungsträger aus Politik und Volkswirtschaft auf Veränderungen, wohl weil sie erkennen, dass es auf vorausschauende Planung ankommt, und zwar sowohl aus finanziellen als auch aus humanitären Gründen.

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