Gesundheitsökonomie - Lehrbuch für Mediziner und andere Gesundheitsberufe

Gesundheitsökonomie - Lehrbuch für Mediziner und andere Gesundheitsberufe

von: Karl W. Lauterbach, Stephanie Stock, Helmut Brunner (Hrsg.)

Hogrefe AG, 2009

ISBN: 9783456946955

Sprache: Deutsch

361 Seiten, Download: 4549 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Gesundheitsökonomie - Lehrbuch für Mediziner und andere Gesundheitsberufe



4. Ökonomie und Medizin: Überschreitung einer Grenze? (S. 37-38)

Markus Lüngen

Medizinische Versorgung und persönliche Gesundheit werden in der Regel als hohe Werte betrachtet. Diese Bereiche mit Kosten und Nutzen zu bewerten, erscheint vielen Menschen nicht nur als unethisch, sondern geradezu als unmöglich. Dennoch treffen viele Menschen im Alltag bewusst Entscheidungen, wo sie eine Schädigung ihrer Gesundheit in Kauf nehmen und eine Abwägung zwischen Konsum und Erhaltung der Gesundheit treffen. Auch Ärzte handeln nicht immer unbeeinflusst von finanziellen Überlegungen. Dennoch bleibt die ökonomische Bewertung in der öffentlichen Wahrnehmung ein äußerst sensibles Thema.

Im Folgenden soll versucht werden die Grundlagen der ökonomischen Analyse und die Umsetzbar keit in die Praxis darzustellen. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass die für die Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehenden Ressourcen begrenzt sind. Es stellt sich die Frage, wofür die begrenzten Ressourcen eingesetzt werden sollen. Beispielsweise könnte ab gewogen werden, ob mit den zur Verfügung stehen den Mitteln eine Präventionsmaßnahme gegen das Rauchen gefördert oder eine Verbesserung der Operationsergebnisse bei Lungenkrebs erreicht werden soll. Gesundheitsökonomie hilft somit, Entscheidungen über die Mittelverwendung im Gesundheitswesen zu treffen.

Sie hilft zudem, die Rahmenbedingungen der gesundheitlichen Versorgung zu analysieren. Gesundheitsökonomie ist nicht beschränkt auf Kosten einsparungen oder gar Rationierung. Auch wäre es falsch, gesundheitsökonomische Schlussfol gerungen als bindende Handlungsanweisungen für den Arzt bei der Behandlung individueller Patienten zu interpretieren. Vielmehr versucht die Gesundheitsökonomie das Problem der Knappheit auf der einen Seite und der weitgehend unbegrenzten Bedürfnisse der Gesellschaft auf der anderen Seite zu analysieren und Lösungen anzubieten.

4.1 Annahmen und Ziele der Gesundheitsökonomie

Im Bereich klinischer Studien stellt die randomisierte, kontrollierte Studie den Goldstandard dar. Das Äquivalent ist in der ökonomischen Analyse der funktionierende Markt. Unter Markt wird dabei die Koordination von Angebot und Nachfrage nach Gütern über Preise ver standen. Der Begriff Gut wird dabei sehr weit gefasst und bezieht sich sowohl auf Dienstleistungen als auch auf Waren. In der Realität sind Güter nicht unbegrenzt frei verfügbar, sondern sie sind knapp.

Es muss daher eine Koordination zwischen Nachfrage und Angebot erfolgen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine davon ist die Koordination über Märkte, eine andere die staatliche oder anderweitig koordinierte Zutei lung. Ausgangbasis für die ökonomische Methode ist neben dem Vorhandensein von Knappheiten die Notwendigkeit, sich zwischen Alternativen zu entscheiden. Würde beschlossen, die Kapazitäten für Operationen aufzustocken, bis jede Nachfrage befriedigt wird, handelte es sich immer noch um ein ökonomisches Problem. Denn die Entscheidung für Operationskapazitäten ist gleichzeitig eine Entscheidung gegen andere Verwendungsmöglichkeiten der knappen Ressource «Geld». Wird mehr operiert, kann beispielsweise weniger für Straßen (oder auch Arzneimittel) ausgegeben werden.

Dieser Verzicht auf den Nutzen, den die nächstbeste Alter native gestiftet hätte, wird als Opportunitätskostenprinzip bezeichnet und ist grundlegend für die Gesundheitsökonomie. Warum gerade Märkte in der Lage sein sollen, die beste Koordination von Nachfrage und Angebot knapper Güter zu erreichen, liegt in der Zielgröße der ökonomischen Analyse begründet. Das Ziel besteht in der Erzielung höchstmöglicher Effizienz. Die Erwähnung von Effizienz hat für viele Akteure im Gesundheitswesen eine Reizwirkung, da sie mit Normierung, Gängelung, Inhumanität bis hin zur Rationierung in Zusammenhang gebracht wird. Umso wichtiger ist es, nicht nur den Begriff der Effizienz genau zu erläutern, sondern auch die Verhaltensannahmen über die Akteure in der ökonomischen Analyse zu kennen und zu hinterfragen.

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