Ratgeber Stress und Stressbewältigung - Informationen für Betroffene und Angehörige

Ratgeber Stress und Stressbewältigung - Informationen für Betroffene und Angehörige

von: Tobias Stächele, Markus Heinrichs, Gregor Domes

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2020

ISBN: 9783844428247

Sprache: Deutsch

105 Seiten, Download: 8068 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Ratgeber Stress und Stressbewältigung - Informationen für Betroffene und Angehörige



|9|1  Was ist Stress


Hektik, Zeitdruck, Arbeitsverdichtung, hohe Erwartungshaltung durch andere, Leistungsdruck, ständige Erreichbarkeit oder fehlende Erholungsmöglichkeiten – die Situationen in denen Stress aufkommt sind vielfältig und lauern in allen Lebensbereichen: Beruf, Familie und Freizeit.

Was ist Stress? Stress ist eine Reaktion in Situationen, in denen wir herausgefordert sind, unsere Aktivität zu konzentrieren, um die Situation erfolgreich zu meistern. Im Alltagsverständnis ist Stress mit dem Anstieg von innerer Anspannung, Druck und Nervosität, bei intensivem Stress auch mit steigender Gereiztheit oder einer ausgeprägten Fokussierung auf das herausfordernde Ereignis verbunden. Der Begriff ist nahezu allgegenwärtig und wird häufig unspezifisch verwendet; bisweilen soll damit auch nur zum Ausdruck gebracht werden, dass Zeit, Ruhe, Gelassenheit und Muße fehlen.

Stress hat dabei zwei Seiten. Auf der einen Seite ist er ein wichtiger Überlebensmechanismus, welcher die nötige Energie freisetzt, um eine bedrohliche Situation erfolgreich zu meistern, auf der anderen Seite kann zu häufiger, zu lange anhaltender oder zu intensiver Stress zu gesundheitlichen Problemen führen.

Der Ratgeber möchte über das Phänomen Stress informieren und einen Überblick über verschiedene Möglichkeiten des Umgangs mit Stress und der gesunden Bewältigung hoher Anforderungen bieten.

1.1  Welche Arten von Stress gibt es?


Alltagsstress

Alltagsstress beschreibt Situationen und Reaktionen, wie sie regelmäßig im beruflichen und privaten Leben vorkommen. Verschiedene Befragungen zeigen, dass der berufliche Stress in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat, und zwar vor allem bei Personen, die sich generell häufig gestresst |10|fühlen. Zum Alltagsstress tragen vor allem äußere Anforderungen bei, wie Zeit- und Leistungsdruck bei der Arbeit, finanzielle Sorgen, Erziehung und Pflege von Familienangehörigen oder ständige Erreichbarkeit. Bei den wichtigsten Stressfaktoren im Alltag werden jedoch auch innere Anforderungen genannt, also hohe Ansprüche an sich selbst, Perfektionsstreben oder den Drang, in seine Freizeit möglichst viele Aktivitäten zu packen.

Alltagsstress ist ein verbreitetes Phänomen, bei dem Situationen oder Umstände, wiederkehrend oder andauernd, belasten. Die Belastung entsteht entweder durch eine einzelne Situation oder aber durch die Summe vieler, möglicherweise einzeln betrachtet wenig bedeutsamer, Ereignisse. Zur Bewältigung und Lösung wird dann ein erhöhtes Maß an zusätzlicher Aufmerksamkeit und Anstrengung erforderlich. Dabei wird Stress erst dann als solcher bezeichnet, wenn damit negative Gedanken und Gefühle einhergehen.

Ein weiteres Merkmal von Alltagsstress ist die oftmals fehlende Möglichkeit, sich von den einzelnen belastenden Situationen und Ereignissen ausreichend zu erholen. Typische Situationen in denen eine Erholung erschwert ist, sind: überlange Arbeitszeiten, ständige Erreichbarkeit, Pflege eines nahen Angehörigen, Partnerschaftskonflikte, Auseinandersetzungen mit Angehörigen, Nachbarschaftskonflikte oder Überforderung mit häuslichen Aufgaben.

Eine Sonderstellung nehmen arbeitsbezogene Belastungen bzw. berufsbedingter Stress ein. Diese werden als die häufigste Quelle des persönlichen Stresses angegeben und als besonders belastend beschrieben. Obwohl sie zunächst nur den beruflichen Lebensbereich betreffen, können sie erhebliche Auswirkungen auf andere Lebensbereiche und auch auf indirekt betroffene Personen, wie den Partner oder eigene Kinder haben.

Fallbeispiel: Erhöhter Alltagsstress und fehlende Erholung

Herr K., 48 Jahre alt, fühlt sich seit einiger Zeit gereizt und innerlich aufgewühlt. Er kenne bislang keine psychischen Probleme und sei selbst erstaunt, was mit ihm los sei. Bislang sei er stets ein optimistischer, aktiver und geselliger Mensch gewesen. Über stressige Zeiten hätten ihm sein regelmäßiges Sportprogramm und seine fürsorgliche Ehefrau immer hinweggeholfen. Aber momentan fühle er sich seiner Gelassenheit und Unbe |11|schwertheit beraubt. Erstmals aufgetreten seien die Beschwerden kurz nach der Übernahme seines Arbeitgebers durch einen internationalen Konzern vor zwei Jahren. Er arbeite dort seit 15 Jahren als Teamleiter im Marketing. Durch die Übernahme habe sich aber alles verändert: Das Unternehmensklima sei belastet, alles werde durchleuchtet und kontrolliert. Er wisse nicht, ob er seine Stelle langfristig behalten könne. Wie er damit gut umgehen soll, wisse er noch nicht. Momentan bereiten ihm seine Freizeitaktivitäten keinen Spaß mehr; er denke immer wieder an die Arbeit. Im Büro strenge er sich mehr an, sei schneller reizbar und versuche mit vertrauten Kollegen die aktuellen Veränderungen zu besprechen – in der Hoffnung, dadurch herausfinden zu können, wie es weitergehen werde. Insgesamt sei sein Arbeitstempo jedoch langsamer geworden und er mache mehr Überstunden, wodurch die Zeit für Erholung zunehmend fehle. Es drehe sich immer mehr um die Arbeit und darunter leide nun auch seine Partnerschaft. Durch seinen innerlichen Rückzug sowie vermehrtes Schweigen seinerseits habe sich auch die Kommunikation mit seiner Frau verschlechtert und es treten daheim immer häufiger Konflikte auf.

Am Beispiel von Herrn K. wird deutlich, dass Alltagsstress sowohl mit Belastungsfaktoren zu tun hat (berufliche Veränderung beim Arbeitgeber, Überstunden), aber auch mit dem Umgang damit (Sorge um den Arbeitsplatz, fehlende Ideen zur Bewältigung, Gedanken an die Arbeit auch in der Freizeit) und mit der Möglichkeit der Erholung (Sportprogramm eingeschränkt, zunehmende Probleme in der Partnerschaft).

Werden derartige arbeitsbezogene bzw. berufsbedingte Belastungen chronisch und eine Bewältigung gelingt über längere Zeit nicht, kann dies ein bedeutsamer Risikofaktor für unterschiedliche körperliche Beschwerden und psychische Erkrankungen sein. Beispielsweise können sich daraus ein Burnout-Syndrom oder auch eine Depression entwickeln.

Auslöser von Stress finden sich sowohl im Beruf als auch in anderen Lebensbereichen. Stärker noch als der Auslöser und der Lebensbereich sind die individuellen Umgangsweisen mit den Auslösern wichtig für die Auswirkungen von Stress. Solange der Umgang mit alltäglichen Anforderungen – beruflich oder privat – die Stressquelle darstellt, wird in diesem Ratgeber alles unter Alltagsstress zusammengefasst.

|12|Stress durch „kritische“ Lebensereignisse

Von Alltagstress sind Situationen abzugrenzen, die ebenfalls zu Stress führen können, die jedoch wesentlich seltener vorkommen und besondere Ereignisse darstellen. Diese Situationen bezeichnet man auch als „kritische Lebensereignisse“, da sie unsere Anpassungsfähigkeit in besonderem Maße herausfordern. Zu diesen Ereignissen gehören sowohl positive als auch negative Ereignisse, wie z. B. eine Beförderung, der Wechsel des Arbeitsplatzes, eine Krankheitsdiagnose im Familienkreis, der Umzug in eine neue Stadt, eine Hochzeit, der Tod eines nahen Angehörigen, die Geburt eines Kindes, ein Schulwechsel, der Verlust des Arbeitsplatzes oder der Übergang in den Ruhestand.

Oft gelingen die Neuorientierung und die Anpassung an die neue Lebenssituation. In manchen Fällen sind die mit den Anpassungen verbundenen Schwierigkeiten länger anhaltend. In solchen Fällen kann sich eine sogenannte Anpassungsstörung entwickeln, die unter Umständen psychotherapeutisch zu behandeln ist.

Exkurs: Anpassungsstörung

Eine Anpassungsstörung ist eine psychische Reaktion auf ein einmaliges belastendes Ereignis oder sich daraus ergebende dauerhafte Belastungen, die eine Reihe von emotionalen und verhaltensseitigen Symptomen nach sich ziehen. Zu den häufigen Auslösern gehören z. B. das Ende einer Beziehung, Partnerschaftsprobleme, arbeitsbezogene Belastungen oder „Mobbing“. Zu den üblichen Anzeichen einer Anpassungsstörung gehören Freudlosigkeit, Gefühl der Leere, Grübeln, Sorgen, depressive Verstimmung, Angst oder Trauer. Die ...

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