Sozialmedizin - Public Health - Gesundheitswissenschaften - Lehrbuch für Gesundheits- und Sozialberufe

Sozialmedizin - Public Health - Gesundheitswissenschaften - Lehrbuch für Gesundheits- und Sozialberufe

von: David Klemperer

Hogrefe AG, 2020

ISBN: 9783456960166

Sprache: Deutsch

352 Seiten, Download: 11583 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Sozialmedizin - Public Health - Gesundheitswissenschaften - Lehrbuch für Gesundheits- und Sozialberufe



3 Evidenzbasierte berufliche Praxis

Zusammenfassung
Wissenschaftlichkeit und das Konzept Evidenzbasierte berufliche Praxis als Grundlage für die Berufsausübung der Gesundheits- und Sozialberufe werden dargelegt. Verschiedene Quellen für kognitiven Bias werden erklärt.

3.1 Wissen, Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit

Medizin, Pflege, Physiotherapie, Logopädie, Hebammenkunde und auch Sozialarbeit sind Berufe, von denen erwartet wird, dass sie auf wissenschaftlicher Grundlage ausgeübt werden. Zur Wissenschaftlichkeit gehört es, Fragen zu stellen und infrage zu stellen. Archibald Cochrane, Arzt und Vordenker der evidenzbasierten Medizin und Namensgeber der Cochrane Collaboration, hat im Jahr 1972 folgende Fragen an seine ärztlichen Kollegen gerichtet:
•• „Wissen wir, ob Intervention x für Problem y wirksam ist?
•• Wie haben wir herausgefunden, dass die Intervention wirksam ist?
•• Woher wissen wir, dass sie mehr oder weniger wirksam ist als Intervention z?
•• Auf welcher Grundlage treffen wir dieses Urteil über Wirksamkeit?
•• (…)
•• Welche Gefahren drohen Patienten, die Behandlungen erhalten, deren Wirksamkeit aus wissenschaftlicher Sicht ungewiss ist?

•• Warum führen wir nutzlose oder potenziell gefährliche Behandlungen an?“ (Cochrane 1972 nach Kelly & Moore, 2012)

Wie notwendig diese Fragen waren (und sind), zeigt die erste Auflage des Medizin-Lehrbuchs Merck Manual aus dem Jahr 1899. Abb. 3-1 listet 68 Behandlungsmethoden für den Diabetes mellitus auf, die von den damals renommiertesten Experten als wirksam erachtet wurden („Compiled from the most recent autoritative sources“). Auf die Frage, wie die Experten herausgefunden haben, dass „Intervention x für Problem y“ wirksam ist, geht das Buch zwar nicht ein. Die damals vorherrschende Methode des medizinischen Wissensgewinns war die Beobachtung von Patienten vor, während und nach einer Therapie und die sich so herausbildende Meinung. Heute wissen wir, dass die meisten der aufgeführten Behandlungsmethoden unwirksam, einige sogar schädlich sind – beispielsweise ist Acetanilid als Gefahrstoff zu kennzeichnen und als Sondermüll zu entsorgen. Die Beobachtung eines oder auch vieler Patienten ist als Methode zur Prüfung der Wirksamkeit wenig geeignet, weil sie eine entscheidende Frage außer Acht lässt: Wie wäre die Krankheit verlaufen, wenn der Patient die Behandlung nicht erhalten hätte? Das Ziel einer Behandlung besteht darin, den unbeeinflussten, „natürlichen“ Verlauf einer Krankheit zu verbessern. Wenn dieser Verlauf in der Untersuchung nicht berücksichtigt wird, drohen Irrtümer, wie im Merck Manual von 1899 eindrucksvoll dokumentiert (Merck’s Manual, 1899).

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