Körpererleben und Körperbild - Ein Handbuch zur Diagnostik

Körpererleben und Körperbild - Ein Handbuch zur Diagnostik

von: Peter Joraschky, Thomas Loew, Frank Röhricht

Schattauer GmbH, Verlag für Medizin und Naturwissenschaften, 2008

ISBN: 9783794564989

Sprache: Deutsch

303 Seiten, Download: 1736 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Körpererleben und Körperbild - Ein Handbuch zur Diagnostik



"IV Bewegungsanalyse (S. 125-126)

13 Bewegungsanalyse in der Diagnostik von Körperschema- und Körperbildstörungen Hedda Lausberg

13.1 Körperschema, Körperbild und Bewegungs muster


13.1.1 Begriffsdefinition

Da die Begriffe Körperschema und Körperbild in der Literatur weiterhin uneinheitlich verwandt werden, soll diesem Beitrag eine kurze Begriffsdefinition vorangestellt werden, die sich am Konsens der verschiedenen Definitionen orientiert (Ayres 1961, Baumann 1986, Benton u. Sivan 1993, Bielefeld 1986/1991, Bruch 1973, Buytendijk 1971, Dolto 1987, Joraschky 1983, 1986, 1995, Waldenfels 2000).

Der Begriff Körperschema soll hier entsprechend seiner Verwendung in Neuropsychologie und Wahrnehmungspsychologie für den auf Perzeption beruhenden Entwurf eines Individuums von seinem Körper angewandt werden. Dieses Konzept beinhaltet u. a. eine Vorstellung von der Form und Größe des Körpers und der Relation der Körperteile zueinander, d. h. auch der Haltung und der Veränderung des Körpers in Bewegung.

Die Rolle der Motorik für das Körperschema wird in der Literatur selten thematisiert. Sie wird in diesem Beitrag später gesondert dargelegt. Der Begriff Körperbild wird entsprechend seines Gebrauchs in Persönlichkeitspsychologie, Psychotherapie und Psychoanalyse auf den bewussten und unbewussten, emotional-affekti- ven Entwurf vom eigenen Körper angewandt. Dazu gehören u. a. die psychische Besetzung der Körperteile, die Einstellung zum eigenen Körper und das Erleben der Körpergrenzen.

13.1.2 Körperschema und Bewegungsverhalten

Die Bedeutung des Körperschemas für Bewegung ergibt sich bereits aus der Begriffsdefinition von Head (1920): „Such schemata modify the impressions produced by incoming sensory impulses in such a way that the final sensations of position, or of locality, rise into consciousness charged with a relation to something that has happened before"" (Benton u. Sivan 1993, S. 123). Die aktuell eintreffenden Informationen aus dem somatosensorischen System werden auf dem Hintergrund des Körperschemas bewertet und ermöglichen so zusammen mit Informationen aus dem vestibulären, visuellen, und akustischen System eine Beurteilung der aktuellen Situation des Körpers.

Dies ist die Voraussetzung für einen adäquaten Bewegungsentwurf, bei dem wiederum das Körperschema bei der Antizipation der Bewegungen eine Rolle spielt. Das Körperschema wird daher als eine bedingende Größe für die menschliche Bewegung betrachtet (Baumann 1986, Buytendijk 1971). Umgekehrt spielt Bewegung bei der Entwicklung des Körperschemas eine bedeutende Rolle, da durch Bewegung ständig neue sensorische Eindrücke innerhalb des Körpers und in Kontakt mit der Umwelt ermöglicht werden.

Diese sensorischen Erfahrungen sind grundlegend für die differenzierte Entwicklung des Körperschemas (Ayres 1961). In empirischen Untersuchungen korreliert der Grad der Differenzierung des Körperschemas positiv mit dem Niveau der psychomotorischen Leistung (Wiegersma 1972). Ein weiterer Aspekt des Zusammenhangs zwischen Körperschema und Bewegung sei anhand von Untersuchungen von Phantombewegungen mit der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) dargelegt. Bei imaginierten Fingerbewegungen einer amputierten Hand zeigt sich bei diesem Verfahren im Handareal des primären sensomotorischen Kortex eine Aktivierung (Ersland et al. 1996).

Dies weist auf ein Weiterbestehen der zentralen Repräsen tanz der Hand bzw. auf eine „sensomotorische Erinnerung"" an das verlorene Körperteil hin. Aufgrund neuerer Untersuchungen bei angeborenem Fehlen der Gliedmaßen ist es jedoch fragwürdig, ob diese „sensomotorische Erinnerung"" bereits dem Konstrukt Körperschema entspricht. Phantombewegungen bei angeborenem Fehlen der Gliedmaßen können nicht auf früheren sensomotorischen Erfahrungen beruhen. Dementsprechend zeigt sich eine Aktivierung im fMRT in diesem Fall auch nicht im primären sensomotorischen Kortex, sondern im prämotorischen und parietalen Kortex. "

Kategorien

Service

Info/Kontakt