Leitfaden zur Bachelor- und Masterarbeit - Einführung in wissenschaftliches Arbeiten und berufsfeldbezogenes Forschen an Hochschulen und Universitäten

Leitfaden zur Bachelor- und Masterarbeit - Einführung in wissenschaftliches Arbeiten und berufsfeldbezogenes Forschen an Hochschulen und Universitäten

von: Hans Brunner, Dietmar Knitel, Paul Josef Resinger, Robert Mader

Tectum Wissenschaftsverlag, 2015

ISBN: 9783828862609

Sprache: Deutsch

240 Seiten, Download: 14326 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Leitfaden zur Bachelor- und Masterarbeit - Einführung in wissenschaftliches Arbeiten und berufsfeldbezogenes Forschen an Hochschulen und Universitäten



2 Zur Theorie der berufsfeldbezogenen Forschung

Wer sich von der Reformagenda leiten lassen möchte, wer Schul- und Unterrichtsentwicklung betreiben möchte, der muss bereit sein, Strukturen aufzubrechen und sich und anderen etwas zutrauen.

Die Aktionsforschung entstammt dieser Idee. Dem Konzept der Aktionsforschung zu folgen bedeutet, Schule von Anfang an als eine Institution zu begreifen, deren Praxis »forschend« zu evaluieren, weiterzuentwickeln und neu zu gestalten ist.

Wenn Angehörige einer Berufsgruppe ihre berufliche Situation systematisch reflektieren, mit dem Ziel die Qualität ihrer Arbeit zu sichern und weiterzuentwickeln und die Erkenntnisse dem Berufsstand weiterzugeben, spricht die Wissenschaftstheorie von Aktionsforschung (action research) bzw. von berufsfeldbezogener Forschung.

Der Begriff »action research« stammt von Kurt Lewin. Die Begriffe »Handlungsforschung«, »Aktionsforschung«, »action research« oder »Praktikerforschung« können synonym verwendet werden. Berufsfeldbezogene Forschung im Kontext des Lehrer/innenberufs bedeutet, dass Lehrer/innen ihren Unterricht systematisch beschreiben, reflektieren und auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse weiterentwickeln. Demnach ist Aktionsforschung »die systematische Untersuchung beruflicher Situationen, die von Lehrerinnen und Lehrern selbst durchgeführt wird, in der Absicht, diese zu verbessern« (Elliott, 1998; zitiert nach Altrichter & Posch, 2007, S. 13).

Hinter der von Lawrence Stenhouse geprägten Metapher der forschenden Lehrerin/des forschenden Lehrers (teacher as researcher) steckt ein anderes, das Hentig’sche Selbstverständnis des Lehrerberufs: eine von der Basis ausgehende, autonome berufliche Weiterentwicklung durch systematisches Reflektieren der eigenen Arbeit, durch das Studium der Arbeit anderer Lehrer/innen und durch die Überprüfung pädagogischer Ideen durch Forschung im Klassenzimmer.

Die zentralen Merkmale berufsfeldbezogener Forschung (Aktionsforschung) werden von Altrichter & Posch (2007, S. 15 ff.; auch Altrichter & Feindt, 2004, S. 84 ff.) wie folgt verständlich zusammengefasst:

Aktionsforschung

Sie ist Forschung von Betroffenen für Betroffene. Aktionsforschung unterscheidet sich von der traditionellen empirischen Forschung, wo der/die Forscher/in außerhalb des untersuchten Feldes steht. Der/Die Forscher/in untersucht nicht das eigene Tun, sondern das Handeln anderer Menschen. Die beforschten Menschen werden zum Gegenstand der Erkenntnis.

Sie formuliert praxisrelevante Fragestellungen. Aktionsforschung setzt bei Fragen der schulischen Praxis an. Die Lehrer/innen formulieren Fragestellungen aus ihrer eigenen Praxis, die sie als bedeutsam für ihre Arbeit ansehen. Solche Fragestellungen können sich beziehen auf:

den Unterricht,

die Beziehung Schule-Elternhaus,

die Thematik Leistungsfeststellung und -beurteilung,

das Schul- und/oder Klassenklima,

die Lesekompetenzförderung,

die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund,

das Freizeitverhalten von Kindern und Jugendlichen usw.

Sie setzt Aktion (Handeln in der Praxis) und Reflexion (das Nachdenken darüber) in Beziehung. Reflexion bedeutet demnach:

sich vom eigenen Tun distanzieren,

sich selbst beobachten,

das Spezifische der Situation erfassen,

das Allgemeine im spezifischen Fall erkennen,

Schlüsse ziehen,

ein Repertoire an Alternativen entwickeln.

Reflexion wird als notwendig erachtet für ein praktisch-professionelles Handeln. Das Nachdenken über bisherige Erfahrungen und daraus Schlüsse zu ziehen führt zum Vordenken für die nächste Situation mit dem Ziel, dazu ein größeres Repertoire an Alternativen zur Verfügung zu haben.

Beispiel

Wenn eine Lehrperson durch Reflexion erkennt, dass sie in Unterrichtssituationen zu lehrer/innenzentriert unterrichtet und dadurch zu wenig das selbsttätige und selbstständige Lernen ihrer Schüler/innen fördert, besteht die Chance, dass sie durch diesen Reflexionsprozess den eigenen Unterricht weiterentwickelt. Aktionsforschung ist darauf ausgerichtet, dass der/die Aktionsforscher/in, also der/die von einer sozialen Situation direkt Betroffene, Aktion und Reflexion immer wieder aufeinander bezieht. Dem Handeln werden durch die Reflexion neue Möglichkeiten eröffnet und die Reflexionsergebnisse werden durch das Handeln einer Überprüfung unterzogen.

Aktionsforschung besteht aus längerfristigen Forschungs- und Entwicklungszyklen. Da Reflexion in die tägliche Unterrichtsarbeit eingebettet ist, wird die Theorie laufend getestet und in einem kontinuierlichen Zyklus von Aktion und Reflexion weiterentwickelt.

Aktionsforschung ist durch ein doppeltes Ziel gekennzeichnet: Es wird gleichzeitig Erkenntnis (als Ergebnis von Reflexion) und Entwicklung (als Ergebnis von Aktion) angestrebt. Aktionsforschung will sowohl das Wissen über die Praxis, als auch die Praxis selbst weiterentwickeln.

Handlungsalternativen für künftige Praxis leiten sich nicht nur aus der Selbstreflexion der eigenen Erfahrungen ab. Das Erfassen einer spezifischen Situation, das Entwickeln guter Praxis gelingt manchmal erst im Kontext einer diskursiven Auseinandersetzung, d. h. wenn wir versuchen, die Situation, das Phänomen oder auch das Problem einer Kollegin/eines Kollegen zu schildern.

Wenn Lehrer/innen gemeinsam »forschen«, dann besteht gerade in einem solchen Forschungsprozess die Möglichkeit, in Diskussionen wichtige Maßnahmen und/oder erste Erkenntnisse zu diskutieren und/oder externe Personen als critical friends mit einzubinden. Je mehr Personen in den Austauschprozess involviert werden, desto vielschichtiger wird die Betrachtungsweise.

Beispiel

Verhaltensvereinbarungen einer Schule werden von Schülerinnen/Schülern und Eltern und Lehrerinnen/Lehrern mit verschiedenen Methoden analysiert, interpretiert und dann miteinander verglichen.

Ein solcher Austausch (Diskurs) erfordert auf lange Sicht im Sinne einer Kollektivierung solcher Reflexions- und Lernprozesse eine gemeinsame Sprache, die eine differenzierte Auseinandersetzung ermöglicht. Die Fähigkeit sich selbst und sein Umfeld kritisch und distanziert betrachten zu können, Selbstkritik zu entwickeln und sich in den Diskurs einzubringen bzw. ihn zu gestalten, sind somit Kennzeichen professionellen Lehrer/innenhandelns.

Forschendes, experimentierendes und entdeckendes Lernen sind eine bewährte Methode im schulischen Unterricht und können in der Ausbildung an Prinzipien der Forschung gezeigt werden. Von einer praxisnahen Fragestellung auszugehen und diese durch empirische Daten zu beantworten, kann eine spannende Tätigkeit sein, die sowohl auf den Studienalltag als auch auf die Schulpraxis befruchtend wirkt. Es ist der »fremde Blick« auf eine Behauptung, eine Einstellung oder eine Handlung, die eine notwendige Veränderung seriös herbeiführen kann (Zutavern, 2001, S. 25).

Mit dem Konzept der Aktionsforschung/Berufsfeldbezogenen Forschung werden Handlungsformen verfügbar, welche schon in der universitären Grundausbildung die Anbahnung eines lebenslangen Lernprozesses möglich machen. Lehrer/innen werden ihre Kompetenz nicht zuletzt angesichts der gegenwärtigen Veränderungen in der Gesellschaft und der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen lebenslang weiterentwickeln (müssen). Das ist ein niemals abgeschlossener Prozess. Entscheidend wird dabei sein, die »forschende« Tätigkeit nicht als Last, sondern als eine besondere Chance zu sehen, die eigene Kompetenz professionell weiterzuentwickeln und an der Qualitätsentwicklung von Schule und Unterricht mitzuarbeiten.

Berufsfeldbezogene Forschung hat auch mit dem Schreiben einer Bachelor-/Masterarbeit vieles gemeinsam. Der Ausgangspunkt einer solchen Arbeit kann ein prägendes Erlebnis im Unterricht, das neugierige Experimentieren mit einer Idee oder die Absicht, eine verworrene Situation klären zu wollen, ebenso sein wie eine zwiespältige Erfahrung, ein Widerspruch, ein Konflikt oder eine pädagogische Herausforderung. Es wird ein Thema gewählt, von dem der/die Forscher/in direkt oder indirekt betroffen ist. Es wird also eine praxisrelevante Fragestellung formuliert. Grundlage für das Forschungsvorhaben ist dabei primär das persönliche Erkenntnisinteresse. Die Forschungsfrage wird demnach einen persönlichkeitsbezogenen Aspekt aufweisen. Während der Forschungstätigkeit werden Aktion und Reflexion in Beziehung gesetzt. Die bisherigen Unterrichtserfahrungen fließen unmittelbar in die Forschungsarbeit ein (Aktion – Reflexion – Aktion). Zusätzlich werden diese Erfahrungen laufend reflektiert und analysiert. Dazu muss auch Literatur gefunden werden aus der sich Informationen erschließen.

Das Lesen von Literatur bedeutet auch, gegensätzliche Meinungen zu tolerieren oder vorgeschlagene Lösungen kritisch zu beurteilen. Schließlich braucht es den Mut, das Gelesene mit den eigenen Erfahrungen zu verknüpfen und Schlussfolgerungen für das eigene unterrichtliche Handeln zu ziehen.

Die durch Forschung gewonnenen...

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